Vor 50 Jahren wuchs Idar-Oberstein um 10.000 Einwohner – Ausstellung dokumentiert die Auswirkungen der Verwaltungsreform
Noch bis Mitte August 2019 ist im Foyer der Stadtverwaltung Idar-Oberstein die Ausstellung „50 Jahre Eingemeindung zur Stadt Idar-Oberstein“ zu sehen. Darin dokumentiert Stadtarchivar Manfred Rauscher die Geschehnisse im Zuge der rheinland-pfälzischen Verwaltungsreform, die zwischen 1966 und 1974 durchgeführt wurde. Im Zuge der Reform wurden neun Umlandgemeinden in die Stadt Idar-Oberstein integriert. Oberbürgermeister Frank Frühauf eröffnete die Ausstellung gestern im Anschluss an die konstituierende Sitzung des neuen Stadtrates.
„Am 7. Juni 1969 wuchs die Stadt Idar-Oberstein über Nacht um rund 60 Prozent ihrer Fläche und um über 30 Prozent ihrer Einwohner“, unterstrich Oberbürgermeister Frühauf in seiner Begrüßung. Dies sei ein einschneidendes Ereignis in der Stadtgeschichte gewesen und daher werde mit dieser Ausstellung daran erinnert. Frühauf bedankte sich beim Stadtarchivar für die Konzeption und Zusammenstellung der Ausstellung und des Begleitheftes. „Das profunde Wissen von Manfred Rauscher über die Geschichte der Stadt und der Region ist mit nichts aufzuwiegen.“
Anschließend führte Rauscher die Gäste in die Ausstellung ein und beleuchtete die damaligen Ereignisse. Auslöser war eine Konferenz des Deutschen Juristentages, die 1964 in Karlsruhe stattfand. Nach Auffassung der Juristen entsprachen die damaligen kommunalen Gebietsstrukturen nicht mehr den Anforderungen und daher empfahlen sie – vor allem im ländlichen Raum – die Einführung effizienterer Verwaltungsstrukturen. Als erste Bundesland begann daraufhin Rheinland-Pfalz mit einer Verwaltungsreform, mit der vor allem auch die rund 950 Zwerggemeinden mit weniger als 300 Einwohnern aufgelöst werden sollten. Ziel war die Bildung von kommunalen Einheiten mit mindestens 7.500 Einwohnern. Zu Bewältigung der Reform wurden zwischen 1966 und 1974 insgesamt 18 „Landesgesetze zur Verwaltungsvereinfachung“ verabschiedet.
Bereits kurz nach dem Erlass der ersten Gesetze zur Verwaltungsreform im Jahr 1968 übernahm die Stadt Idar-Oberstein mit ihrem damaligen Oberbürgermeister Dr. Wilfried Wittmann die Initiative und führte mit den Bürgermeistern und Gemeinderäten von insgesamt 22 Umlandgemeinden entsprechende Gespräche. Neun Gemeinden entschlossen sich schließlich dazu, sich der Stadt Idar-Oberstein anzuschließen – vor allem aus wirtschaftlichen und verkehrstechnischen Gründen. Von Ende September bis Anfang Dezember 1968 erklärten die Gemeinden Enzweiler, Georg-Weierbach, Göttschied, Hammerstein, Kirchenbollenbach, Mittelbollenbach, Nahbollenbach, Regulshausen und Weierbach ihren Beitritt zur Stadt Idar-Oberstein.
Geregelt wurde dies mit dem 5. Landesgesetz über die Verwaltungsvereinfachung im Lande Rheinland-Pfalz, das am 14. Februar 1969 verabschiedet wurde und am 7. Juni 1969 in Kraft trat. Dadurch vergrößerte sich das bisherige Stadtgebiet von Idar-Oberstein um 56 Prozent auf 6.618 Hektar und die Einwohnerzahl von rund 30.0000 auf über 40.000, also um gut ein Drittel. Doch damit war die Verwaltungsreform in Idar-Oberstein nicht abgeschlossen. Denn die bisherige Verbandsgemeinde Weierbach – die mit Georg-Weierbach, Nah-, Mittel- und Kirchenbollenbach sowie Weierbach fünf Gemeinden an die Stadt Idar-Oberstein verloren hatte – wies mit den verbliebenen 9 Gemeinden nur noch eine Einwohnerzahl von knapp 4.700 auf und konnte damit die geforderte Vorgabe von 7.500 Einwohner für den Erhalt der Verbandsgemeinde nicht erfüllen. Daher reichte das ‚Restamt Weierbach‘, wie das verbliebene Gemeinwesen tituliert wurde, am 14. April 1970 Klage beim Verfassungsgerichthof in Koblenz ein – und erhielt Recht. In seinem Urteil vom 8. Juli 1970 gab der VGH der Klage statt und erklärte die Eingemeindung der fünf Gemeinden für verfassungswidrig. Sie wurden wieder aus der Stadt Idar-Oberstein ausgegliedert und mussten vorerst durch Ortsbeauftragte verwaltet werden. Um diesen unsicheren Umstand zu beenden, ordnete die Landesregierung in den betreffenden Gemeinden Bürgerbefragungen an. Die Abstimmung erfolgte am 6. September 1970 mit einem eindeutigen Votum: 79 Prozent der Wahlberechtigten sprachen sich für einen Verbleib in der Stadt Idar-Oberstein aus. Mit dem 8. Landesgesetz wurde nunmehr die Auflösung des Restamtes Weierbach verfügt, die verbliebenen Orte wurden der Verbandsgemeinde Herrstein zugeordnet. Die fünf Nahegemeinden gehörten nun durch das am 7. November 1970 in Kraft getretene Gesetz endgültig zur Stadt Idar-Oberstein. Damit war die Verwaltungsreform in der Region abgeschlossen.
Zur Dokumentation dieser Geschehnisse hat Stadtarchivar Manfred Rauscher eine umfangreiche Ausstellung mit Landkarten, Zeitungsausschnitten, Fotos und Dokumenten zusammengestellt. Die sehenswerte Präsentation kann während der Öffnungszeiten des Bürgerbüros – Montag bis Mittwoch und Freitag von 7 bis 12 Uhr, Donnerstag von 7 bis 18 Uhr – im Foyer der Stadtverwaltung besichtigt werden.